Ostern, Hungerstreik, Polizeimord & nur 24h Freiheit - Weekly Summary, 02.04.2021

Occupied News
9 min readApr 2, 2021

Über 207 weitere Menschenrechtsverletzungen — was in der Woche vom 25.03. — 31.03.2021 im historischen Palästina geschah

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Besatzungsgewalt im Westjordanland: 121 Mal fiel die israelische Besatzungsarmee gewaltsam in Ortschaften des Westjordanlandes, einschließlich Jerusalem, ein. Dabei wurden willkürlich 62 palästinensische Zivilisten verhaftet, darunter 3 Kinder & 2 Frauen. Eine der Frauen ist die Journalistin Muna Azmi Al Qawasmi, die während eines von ihr durchgeführten Interviews für eine Jerusalemer Zeitung auf dem Hof der Al Aqsa-Moschee von Soldat*innen verhaftet wurde. Die meisten Zivilisten wurden während willkürlicher Razzien pal. Familienhäuser durch die Armee verhaftet, die durch exzessive Gewaltanwendung, Verwüstung, Waffeneinsatz, Angriffe auf & Misshandlungen von Zivilisten gekennzeichnet sind & meist nach Mitternacht oder in den frühen Morgenstunden durchgeführt werden. Es handelt sich um eine jahrzehntelange Praxis der Besatzung. Opfer einer solchen Verhaftung wurde diese Woche auch Hazem Hamayel, der 3 Tage vor seiner Hochzeit verhaftet wurde. Ein Kind wurde diese Woche bei einer solchen Razzia verletzt.

Einfall der Besatzungsarmee in Al Khalil (Hebron), 29.03.2021, besetztes Westjordanland.

Auch diese Woche ging die isr. Armee gewaltsam gegen jede Form des Protests gegen die seit 50 Jahrzehnten währende Besatzung, Landraub & Siedlungsbau vor. Mehrere Palästinenser*innen wurden durch die Armee dabei verletzt, darunter 1 Kind.

Isr. Soldat*innen gingen am Freitag, 01.04.2021, erneut gewaltsam gegen Demonstrat*innen des besetzten Dorfes Beit Dajan im seit 5 Jahrzehnten besetzten Westjordanland vor. Fotos: Ayman Nubani

Israelische Infanterieeinheiten rückten am Mittwoch in das Gebiet Bab Al Zawiya in Al Khalil (Hebron) ein. Mehrere Militärfahrzeuge sperrten willkürlich Straßen ab & zwangen die Besitzer der dort ansässigen Geschäfte, ihre Läden zu schließen. Dies alles sollte dazu diesen, eine Gruppe illegaler Siedler störungsfrei ihre religiösen Rituale in einem alten Gebäude namens “Etni’il Tomb” durchführten & gleichzeitig die Macht von Militär & Siedlern zu demonstrieren. Eine Gruppe palästinensischer Aktivisten versuchte trotz Militärpräsenz, den Siedlern den Weg zu versperren: Sie öffneten ihre Läden & hielten Transparente hoch, die den Abzug der illegalen Siedler aus Al Khalil forderten. Die isr. Armee reagierte mit einem Angriff auf die pal. Aktivist*innen & nahm den Aktivisten Wael Mohammed Amro (25) fest & verscheppten ihn in ein Polizeizentrum in der illegalen Siedlung “Gush Etzion”, südlich von Bethlehem.

Politische Gefangene: Der gefangene Imad Batran (47, Vater von 5 Kindern) ist 42 Tagen im Hungerstreik (Stand 02.04.2021). Er protestiert damit gegen seine Administrativhaft — Willkürhaft ohne Nennung von Gründen, ohne Vorzeigen von Beweisen & ohne Anklage oder Gerichtsververfahren. Schon im Jahr 2013 war er willkürlich inhaftiert worden & hatte einen 103 Tage lang währenden Hungerstreik durchgeführt — & überlebt. Er leidet bis heute unter den gesudheitlichen Folgen seines letzten Hungerstreiks. Insgesamt hat Batran fast 10 Jahre in isr. Besatzungsgefängnissen verbracht — die meisten davon ohne Gerichtsurteil.

Majd Barbar, ein langjähriger pal. Gefangener in isr. Besatzungsgefängnissen, wurde diese Woche nach 20 Jahren Haft entlassen. Er wurde von seiner Frau Fatima, ihrem Sohn Montasser & Tochter Zeina, weiteren Familienmitgliedern, Nachbarn & Freunden in seiner Heimatstadt Jerusalem freudig mit einem Fest empfangen. Keine 24h später wurde er erneut von der Besatzung verhaftet. Mittlerweile ist er unter strengen Auflagen wieder frei.

Majed Barbar & seine Frau Fatima, wiedervereint nach 20 Jahren Haft.

Israelische Behörden stellten dem pal. Minister für Jerusalemer Angelegenheiten, Adnan Adel Ghaith (46), erneut eine Militärorder aus, die ihm die Einreise in das Westjordanland für weitere 6 Monate aus ungerechtfertigten/falschen Sicherheitsgründen verbietet. Das Gouvernement Jerusalem erklärte, dass dies die 5. Entscheidung in Folge ist, die Ghaith die Einreise in das Westjordanland und zu seinem Arbeitsplatz nördlich von Jerusalem verbietet. Es sei erwähnt, dass die Besatzung Ghaith mehr als 27 Mal verhaftet & verhört hat, seit er zum Gouverneur berufen wurde.

Ghazi Kanaan, ein Palästinenser aus dem besetzten Jerusalem, der gestern, 01.04.2021 nach 11 Jahren Haft aus israelischer Haft entlassen wurde, konnte endlich das Grab seiner Mutter, die während seiner Haft verstarb, besuchen. Es war seine erste Handlung nach seiner Freiassung.

Dieses süße kleine Mädchen namens Sara wurde diese Woche am 31.03.2021 geboren. Es wurde durch geschmuggelte Spermien ihres Vaters, des pal. Gefangenen Amer Mokbel, geboren. Amer aus Tulkarm im besetzten Westjordanland wurde 2014 verhaftet & zu 21 Jahren Haft verurteilt. Häufig schmuggeln in Besatzungsgefängnissen inhaftierte Palästinenser ihr Sperma, um trotz Haft mit ihren Ehefrauen eine Familie gründen zu können. Es ist auch eine Form des Widerstands gegen die Besatzung, die Normalität in nahezu allen Lebensbereichen nicht zu lässt.

Der erst 14-jährige Qutaiba Sarhan aus dem Flüchtlingslager Shuafat im besetzten Jerusalem, wurde diese Woche nach 2,5 Monaten in israelischer Haft entlassen.

Osterfeierlichkeiten: Ein Teil der palästinensischen Christen im Westjordanland & Gaza haben diese Woche mit den Osterfeierlichkeiten begonnen, die meisten pal. Christen sind jedoch orthodox, ihre Oster-Festivitäten setzen dieses Jahr zu Beginn des Mai ein. Aufgrund der isr. Totalblockade des Gazastreifens können die meisten christlichen Palästinenser*innen auch dieses Jahr nicht an ihre heiligen Stätten pilgern. Auch Christen aus dem Westjordanland können kaum & vor allem nicht ohne die Hürden von isr. Militärcheckpoints & Reisegenehmigungen nach Jerusalem & Bethlehem reisen. Ausländische Pilger*innen sind von diesen Restriktionen nicht betroffen — sie gelten nur für Palästinenser*innen, also der ältesten christiche Gemeinde der Welt.

Palmsonntag 2021 in der St. Porphyrios Kirche in Gaza-Stadt.
Karfreitag 2021 in Jerusalem, eingeengt durch isr. Soldat*innen & der durch sie aufrechterhaltenen, 50jährigen illegalen Besatzung.
Die pal. christiche Gemeinde — die älteste der Wet — feiert Gründonnerstag 2021 in Jerusalem in der Grabeskirche.

Freiluftgefängnis Gaza: Der Gazastreifen leidet immer noch unter der Totalblockade der israelischen Besatzung. Die totale Abriegelung hält nun das 14. Jahr in Folge an, ohne jegliche Verbesserung des Personen- & Warenverkehrs, der humanitären Bedingungen & mit katastrophalen Auswirkungen auf alle Aspekte des Lebens. Die Menschen dürfen ohne israelische Genehmigung weder ein- noch ausreisen, es darf nicht exportiert werden, importiert werden darf nur wenig, die Resultate sind Massenarbeitslosigkeit, ein kollabiertes Gesundheitswesen & Lebensmittelknappheit.

Auch diese Woche attackierte isr. Militär pal. Zivilisten im Gazastreifen. 3 Mal wurde auf Bauern, die ihre Felder bewirtschafteten, geschossen, woraufhin sie fliehen mussten. 3 weitere Schüsse fielen gegen pal. Fischerboote.

Landwirtschaft im abgeriegeten Gazastreifen: Isr. Überwachungsdrohnen & der nur wenige Meter entfernte israelischen Trennungszaun, der die Enklave abgriegelt & von Soldat*innen & Scharfschützenum den Gazastreifen bewacht wird, die immer wieder auf Bauern & Bäuerinnen schießen. Landwirtschaft ist hier nicht einfach nur Pflanzen, es ist auch Mut & ein unabdingbarer Wille zu Leben & Normalität. Jede Woche stellen sie sich mit ihrer Feldarbeit der ganzen Besatzungsmacht & Brutalität. Foto: Yasser Qudih, belagerter Gazastreifen, 02.04.2021

Mehr als 5.000 Palästinenser in Gaza haben keine ID-Karten, weil sie oder ihre Eltern nicht in den besetzten palästinensischen Gebieten waren, als Israel die Volkszählung nach der israelischen Besetzung des Gazastreifens 1967 durchführte. Dies berichtete Euro-Med Human Rights Monitor diese Woche. Ohne solche Ausweise, ist es für Palästinenser*innen noch schwerer, den abgeriegelten Gazastreifen zu verlassen, bspw. für dringend notwendige medizinische Behandlungen & oder für Studium/Ausbildung/Arbeit. Auch Besuche von Familienmitgliedern im Ausland sind so nahezu unmöglich, da sie keine Pässe erhalten. Die Menschenrechtsorganisation forderte die Palästinensische Autonomiebehörde auf, dringend Dokumente für die betroffenen Personen auszustellen.

Systematische Vertreibung im Westjordanland: Laut UN hat Israel 36 pal. Wohnhäuser & Wohnungen im Westjordanland, einschl. Jerusalem, in den letzten 2 Wochen zerstörtund dadurch Dutzende Personen, darunter 15 Kinder, in die Obdachlosigkeit getrieben.

Mitglieder der Familie Abbasi im Viertel von Jabal Al Mukabbir im besetzten Jerusalem inspizieren am 28.03.2021 die Trümmer ihrer beiden Wohnungen, die 2 Tagen zuvor von den israelischen Besatzungsbehörden abgerissen wurden.

Siedlergewalt: Auch diese Woche wurden erneut pal. Ziviisten durch Siedler angegriffen, dabei wurde ein pal. Zivilist verwundet. Auch wurden mherer pal. Fahrzeuge attackiert & erneut Olivenbäume in Salfit & Bethlehem zerstört — eine wirtschaftliche Katastophe für pal. Farmer. In einem Akt von Gegenwehr zerstörten pal. Dorfbewohner*innen Baustrukturen, die von illegalen, israelischen Siedlern auf privatem, pal. Land in der Nähe des besetzten Dorfes Ras Karkar errichtet wurden & zwingen die Siedler so, dieses Gebiet zu verlassen.
Darüber hinaus stürmten illegale Siedler in Begleitung isr. Soldat*innen zweimal diese Woche den Komplex der Al Aqsa-Moschee, belästigten pal./musl. Pilger & Betende & störten die religiöse Ruhe der Stätte. Es ist ein regelmäßiger Akt der Provokation & Macht, oft werden Anwesende Palästinenser*innen nicht nur belästigt, sondern auch von Siedlern angegriffen & von Soldat*innen verhaftet & auf dem Gelände randaliert.

Illegale Siedler betreten erneut mit isr. Soldat*innen den Al Aqsa-Komplex, 29.03.2021.

Keine Bewegungsfreiheit auf eigenem Land: Die Besatzung errichtete 55 neue temporäre Militärcheckpoints im Westjordanland & verhaftete 3 palästinensische Zivilisten an diesen Kontrollpunkten. Insgesamt giobt es 705 permanente Militärcheckpoints. Sie alle schränken massiv die Bewegungsfreiheit von Palästinenser*innen ein. Israelis, einschließlich Siedler, sind hiervon nicht betroffen, u.a. haben sie dafür eigene Straßen, die nur sie benutzen dürfen.

Palästinenser*innen in Israel: “Ich hatte sie um Hilfe gebeten, dann töteten sie meinen Sohn in meinem Haus & ermittelten gegen mich, ohne mich über seinen Tod zu informieren” — In Haifa, Israel, rief eine pal. Mutter (mit israelischer Staatsbürgerschaft) die isr. Polizei an & bat um Hilfe für ihren geistig behinderten Sohn, Munir Anabtawi (33, Vater eines kleinen Mädchens), nachdem er sehr aufgebracht war. Als die israelische Polizei erschien, erschoss sie ihn mit 5 Kugeln in der Wohnung. Später im Krankenhaus wurde sein Tod bekannt gegeben. Dies ist der 4. israelische Bürger, der seit Anfang des Jahres durch die Hand der israelischen Polizei getötet wurde. Sie alle sind Palästinenser. Die Mutter beschreibt ihren Sohn als ein “großes Kind”, das sanft zu den Menschen um ihn herum war. Beide, sie & ihr Sohn, haben sich gut umeinander gekümmert. Die Polizei gab eine kurze Erklärung ab, in der sie behauptete, Munir habe ein Messer in der Hand gehabt & eine Gefahr für das Leben der Polizist*innen dargestellt, was die Mutter jedoch vehement bestreitet. Es folgten in Haifa Massenproteste gegen die rassistische Polzeigewalt in Israel.

Palästinenser*innen in Haifa, Israel, protestierten auf den Straßen nach dem Mord an Munir Anabtawi. Haifa, 30.03.2021. Fotos via Activestills

Wie jedes Jahr haben Palästinenser*innen weltweit, aber vor allem innerhalb Israels den “Tag des Bodens” begangen. An diesem Tag 1976 hat erschoss israelische Polizei 6 palästinensische Bürger Israels auf einer Demonstratoion. Diese riesige Demonstration war eine von mehreren Aktionen der ohnehin stark marginaliserten Palästinenser*innen innerhalb Israels gegen die Einteignung von mehr als 17km² ihres Landes. Für viele ist dieser Aufstand der erste der pal. Gemeinde innerhalb Israels seit der Gründung des Staates, bei dem sich alle Palästinenser*innen gemeinsam gegen israelische Politik organisiert hatten.

Tag des Bodes, 2021, in Israel.

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