Enteignet für Müll — Weekly Summary, 04.03.2021

Occupied News
8 min readMar 4, 2021

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Brandanschlag auf Kirche, 200.000m² Felder zwangsenteignet für Mülldeponie einer illegaler Siedlung, schwer verletzt & gefesselt im Krankenhaus & über 195 weitere Menschenrechtsverletzungen — was in der Woche vom 25.02. — 04.03.2021 im historischen Palästina geschah

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Besatzungsgewalt im Westjordanland: Mindestens 94 Mal fiel die israelische Besatzungsarmee diese Woche gewaltsam in Ortschaften des Westjordanlandes, einschließlich Jerusalem, ein. Dabei wurden 104 palästinensische Zivilisten verhaftet, darunter 11 Kinder & 2 Frauen. Unter anderem umstellte & stürmte die Armee das Frauenzentrum im Flüchtlingslager Shuafat, nordöstlich des besetzten Jerusalem. Sie stationierten sich am Haupteingang & in den Höfen, verhafteten Jehad Abu Zneid (54), ein Mitglied im Legislativrat, & brachten ihn an einen unbekannten Ort. Darüber hinaus kam es zu zahlreichen willkürlichen, nächtlichen Razzien & Verhaftungen in pal. Familienhäusern.

Eine normale Nacht unter Besatzung: Israelische Truppen hinterlassen Verwüstung & Chaos, nachdem sie am späten Abend willkürlich & unangekündigt das Haus der Familie von Taqatqa im besetzten Dorf Beit Fajjar im Westjordanland überfallen & den Familienvater festgenommen haben. 28.02.2021.

Des Weiteren ging sie gewalttätig gegen pal. Zivilisten, besonders auf Demonstrationen gegen die Besatzung, Landraub & Siedlungsbau, vor. Zahlreiche Palästinenser*innen wurden dabei verletzt, darunter 4 Kinder.

Palästinenser*innen halten einen Protest im besetzten Jordantal ab, um die israelischen Siedlungsaktivitäten zu verurteilen & dem Jahrestag der Gründung der “Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas” zu gedenken.

Kriegsverbrechen: Nachdem der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) dem Antrag der Chefanklägerin Fatou Bensouda auf Eröffnung eines Verfahrens wegen Kriegsverbrechen in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Gaza, endgültig zugestimmt hat, hat Basouda diese Woche verkündet, die Ermittlungen jetzt zu beginnen.

Aus Angst davor, dass der IStGH ermitteln könnte, hatte Israel im Juli 2020 schon begonnen, eine Liste mit 200 -300 israelischen Persönlichkeiten aus Politik & Militär zu erstellen, welche im Rahmen eines Kriegsverbrechertribunals befragt oder verhaftet werden könnten. Darunter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sowie der designierte alternierende Premierminister Benny Gantz. Um ihre mögliche Verhaftung & Befragung zu verhindern, werden sie wohl auf Auslandsreisen verzichten müssen.

Politische Gefangene: Khalida Jarrar, palästinensisches Mitglied des Legislativrats, Menschenrechtsaktivistin & hochrangige Funktionärin der “Volksfront zur Befreiung Palästinas”, wurde von einem israelischen Militärgericht zu 2 Jahren Haft verurteilt. Die Menschenrechtsaktivistin Jarrar ist seit Jahren politischer Verfolgung durch die Besatzungsbehörden ausgesetzt & wurde immer wieder willkürlich verhaftet.

Khalida Jarrar (Archivbilder)

Freiluftgefängnis Gaza: Der Gazastreifen leidet immer noch unter der schlimmsten Abriegelung in der Geschichte der israelischen Besatzung der Küstenenklave. Die totale Abriegelung & Blockade hält nun das 14. Jahr in Folge an, ohne jegliche Verbesserung des Personen- & Warenverkehrs, der humanitären Bedingungen & mit katastrophalen Auswirkungen auf alle Aspekte des Lebens.

Nach einer coronabedingten Zwangspause hat diese Woche die Schule in Gaza wieder begonnen.

Auch diese Woche feuerte die isr. Armee wieder auf Famer & Fischer im abgeriegelten. Auf Farmer wurden 8 Schüsse während ihrer Feldarbeit abgefeuert, auf Fischer einmal.

Frauenfußball in Gaza: Auch diese Woche trainierten sie wieder im belagerten Gaza. Fotos: Majdi Fathi

In den Morgenstunden des Donnerstag, 02.03.2021, verhaftete die isr. Armee, die am Beit Hanoun (Erez)-Übergang im Norden des Gazastreifens stationiert ist, Karam Salem Abu Hadayed (38) aus Khan Yunis unter Berufung auf den israelischen Geheimdienst. Er beantragte eine Ausreiseerlaubnis nach Israel, um seine krebskranke Mutter begleiten zu dürfen, woraufhin der israelische Geheimdienst ihn zu einer Sicherheitsbefragung vorlud.

Seine Mutter, Aziza Mohammed Abu Hadayed (60), erhielt vor längerer Zeit eine ärztliche Überweisung für eine Behandlung im Augusta Victoria Hospital “Al Motale’a” im besetzten Jerusalem. Ihre Krebserkrankung kann aufgrund der durch die isr. Totalblockade zusammengebrochenen Gesundheitsversorgung in Gaza nicht behandelt werden. Auch kranke Patienten müssen bei Israel eine Ausreisegenehmigung beantragen, um zur Behandlung in das besetzte Westjordanland reisen zu dürfen. Nicht immer wird diese erteilt oder sie wird zu lange hinausgezögert, wodurch immer wieder Patienten in Gaza versterben.

Gegen 08:40 Uhr am Montag, den 01. März 2021, erhielt die krebskranke Frau die Erlaubnis auszureisen. Ihr Sohn Karam, der sie begleiten wollte, erhielt hingegen per SMS eine Vorladung zum israelischen Geheimdienst am Grenzübergang Beit Hanoun. Am Donnerstagmorgen, als die Mutter & Karam sich auf den Weg zum Übergang machten, erlaubten die israelischen Behörden der Mutter, nur allein ins Krankenhaus im Westjordanland zu fahren, obwohl die schwerkranke Frau dringend auf Hilfe & Unterstützung angewiesen ist. Ihr Sohn hingegen steht nun unter Arrest. Ein Grund hierfür wurde nicht genannt. Immer wieder werden schwerkranke Patienten dazu gezwungen, ihre Behandlung (sofern die Ausreise genehmigt wurde) allein anzutreten, da Verwandten entweder die Ausreise verweigert oder sie am Grenzübergang unter willkürlichen Vorwänden, angeblich die Sicherheit betreffend, verhaftet werden.

Nach Angaben der WHO stellten vor Beginn der Corona-Pandemie über 1.750 Patienten aus Gaza jeden Monat Ausreiseanträge für eine Behandlung in Israel & dem Westjordanland. Die riesigen Zahlen zeigen die rasante Verschlechterung der Lebensbedingungen & des Gesundheitssystem in der belagerten Enklave.

Im belagerten Gazastreifen haben Nisma Al Sallaq und Mayar Humaid ihr Projekt zur Archivierung der historischen Stätten & Gebäude des Gazastreifens begonnen. In den letzten 7 Jahren haben sie ihre Zeit & ihr Geld in dieses Projekt gesteckt. Fotos von: Ashraf Amra

Systematische Vertreibung aus dem Westjordanland: Am vergangenen Donnerstag kündigten die israelischen Besatzungsbehörden an, dass 193 Dunum(193.000 m²) aus den Dörfern Deir Dibwan & Rammun, östlich von Ramallah, annektiert werden sollen, um eine Mülldeponie für die illegalen Siedlungen in der Nähe des Dorfes zu errichten. Der Bürgermeister von Deir Dibwan, Mansour Mansour, sagte, dass die isr. Armee die Bauern per Flugblätter über die Zwangsenteignung informiert hat.

Obwohl sie Papiere hat, die eindeutig beweisen, dass sie Eigentümerin ihres Landes im besetzten Jordantal ist, wurde der palästinensischen Landbesitzerin Verihan Daraghmeh der Zugang zu ihrem Land von der israelischen Besatzungsarmee verweigert. Fotos von Sulaiman Abu Srour, besetztes Westjordanland, 27.02.2021

Darüber hinaus wurden diese Woche erneut 4 pal. Familienhäuser auf Anordnung der Besatzung zerstört (eines selbst abgerissen) & 4 Geschäfte (eines selbst abgerissen) in Jerusalem demoliert. Eines davon war ein barrierefreies Haus, da der Besitzter im Rollstuhl sitzt. Da Israel die illegitimen Abrisse von pal. Wohneigentum & Infrastruktur den betroffenen Palästinenser*innen auch noch in Rechnung stellt, sehen sich manche Familien gezwungen, ihr mühevoll aufgebautes Heim selber zu zerstören, um einen finanziellen Ruin abzuwenden. Israel treibt auf diese Weise Hunderte von Menschen jedes Jahr gezielt in die Obdachlosigkeit. Als Vorwand dienen angeblich nicht vorhandene Baugenehmigungen, die die Besatzung für Palästinenser*innen in den besetzten Gebieten ohnehin nicht ausstellt. So soll die indigene Bevölkerung schrittweise vertrieben werden.

Die israelische Besatzung riss am Montag Morgen das Haus der Familie von Hatem Abu Riyala im Jerusalemer Viertel Al Issawiya ab. Abu Riyala sitzt im Rollstuhl & seine gesamte Familie ist nun obdachlos. Ein neues barrieferreies Haus zu finden, wird unter Besatzung schwierig. Besetztes Jerusalem, 01.03.2021

Siedlergewalt: Auch diese Woche zerstörten Siedler landwirtschaftliche Maschinen pal. Farmer, zogen durch pal. Ortschaften, riefen dabei rassistische Slogans & bewarfen pal. Familienhäuser mit Steinen & zerstörten auf Farmen zahlreiche Olivenbäume. Teils betrunkene Siedler griffen den Teenager Abu Al Hummus (17) an, als sie ihn als Araber erkannten. Sie riefen zunächst “Araber, Araber!” & schlugen ihn anschließend zusammen, unter anderem mit Glasflaschen. Im Krankenhaus wurden mehrere Scherben entfernt. U.a. erlitt er eine tiefe Wunde unterhalb seines linken Auges sowie einen gebrochenen Finger.

Der Palästinenser Ibrahim Hamed wurde von israelischen Beamten mit Handschellen an sein Krankenhausbett gekettet (s. Video), nachdem er in der Nacht zum 01.03.2021 in Jerusalem von israelischen Siedlern angegriffen & schwer verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Hamed versuchte, sich zu verteidigen, aber er wurde sofort von der israelischen Polizei verhaftet.

Darüber hinaus legten Siedler Feuer am Eingang des Klosters der rumänischen Kirche in Jerusalem. Dieser Akt des Siedler-Vandalismus ist der 4. innerhalb eines Monats, der auf dasselbe Kloster abzielt. Die Versammlung der katholischen Ordinarien des Heiligen Landes fordern in einer Erklärung die israelischen Behörden auf, eine ernsthafte Untersuchung dieser Vorfälle einzuleiten & die Täter vor Gericht zu stellen.

Es ist nicht nur der 4. Angriff innerhalb eines Monats auf diese kirchliche Einrichtung: Es geht ihm eine lange Serie von Angriffen extremistischer Siedler & deren Versuche, die Geistlichen dort anzugreifen, vor. Die rumänische Kirche gilt als eine der ältesten & bedeutendsten Kirchen in Jerusalem. An sie grenzt das orthodoxe jüdische Viertel “Mea Shearim” an, das von ultraorthodoxen Juden bewohnt wird.

Ebenso wurde diese Woche pal. Journalisten von Siedlern angegriffen, als diese Siedlergewalt in Jerusalem dokumentieren wollten.

Pal. Journalisten wurden in Jerusalem von Siedlern angriffen.

Keine Bewegungsfreiheit auf eigenem Land: Die Besatzung errichtete 60 temporäre Militärcheckpoints im Westjordanland & verhaftete 11 palästinensische Zivilisten an diesen Kontrollpunkten. Sie behindern, zustätzlich zu den 705 permanenten Checkpoints massiv die Bewegungsfreiheit von Palästinenser*innen, nicht jedoch von Israelis oder Siedlern, die an diesen nicht aufgehalten & nicht kontrolliert werden & diese häufig dank eigener Straßen nicht einmal passieren.

Zäune, Mauern, Stacheldraht & Militärcheckpoints prägen den Alltag für Palästinenser*innen im besetzten Westjordanland. Diese Aufnahmen entstanden diese Woche.

Palästinenser*innen in Israel: Seit 7 Wochen halten die Massenproteste von Palästinenser*innen mit isr. Staatsangehörigkeit gegen Polizeibrutalität gegen Palästinenser*innen. Aber auch gegen die Komplizenschaften isr. Polizei mit kriminellen Banden & den daraus folgendem Anstieg der Kriminalität in den pal. Gemeinden in Israel wird demonstriert. Isr. Polizei setzt massive Gewalt gegen die Protestierenden ein, insbesondere in Umm Al Fahm & setzt auf Massenverhaftungen.

Soli-Aktion in Haifa für 4 Palästinenserinnen, die bei den Demonstrationen in Israel verhaftet wurden.
Ein palästinensischer Demonstrant steht mit bloßen Händen vor der israelischen Polizei, die am Freitag einen friedlichen palästinensischen Protest in der Stadt Umm Al Fahm, Israel, gewaltsam auflöste.
Israelische Polizeigewalt in Umm Al Fahm gegen demosntrierende Palästinenser mit isr. Staatsangehörigkeit. 26.02.2021

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