Israelische Regierung wackelt: Soll sie wieder durch Krieg gefestigt werden? — Weekly Summary, 16.04.2022
Die israelische Regierung verliert Mehrheit wegen Brot: Weil das isr. Gesundheitsministerium Patient:innen & Besuchern von Krankenhäusern un-kosheres Brot nicht verbieten will, wechselt Regierungsmitglied zur Seite der Opposition. Es wird befürchtet, dass die aktuelle Eskalation der Besatzungsgewalt zu einem Krieg führen soll, der die Regierung retten könnte.
Seit dem 07. April wurden 12 Palästinenser:innen, darunter 2 Kinder & 2 Frauen, durch Besatzungsarmee getötet. Außerdem: Brutaler Überfall der Besatzungsarmee auf Al Aqsa-Moschee: 152 Verletzte & über 400 Verhaftete, darunter auch Kinder. 210 Mal fiel Besatzungsarmee in Ortschaften des Westjordanlandes ein. Ausgangssperre während Pessachfest im Westjordanland — nur für Palästinenser:innen: Pal. Christen & Muslime können Ostern & Ramadan nicht zu ihren heiligen Stätten. Palästinensischer militärischer Widerstand gegen Besatzung wächst: 14 israelische Soldaten & Siedler verletzt. 19 Mal kam es zu Schießereien auf israelische Militäreinrichtungen im Westjordanland. 2 pal. Gefangene in offenem Hungerstreik. Gaza: Erneut beschießen israelische Soldat:innen Fischer & Farmer im Gazastreifen. Außerdem: Nach Überfall auf Al Aqsa-Moschee wächst die Angst im Gazastreifen vor erneuten Bombenangriffen Israels — ähnliche Ereignisse führten 2021 zu einem der tödlichsten Angriffe auf Gaza.Was in der Woche seit dem 07.04.2022 im historischen Palästina passierte:
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Getötet
Seit dem 07. April 2022 wurden 12 Palästinenser:innen, darunter 2 Kinder & 2 Frauen durch israelische Besatzungssoldat:innen getötet. Hunderte weitere wurden verletzt, darunter mindestens 6 Kinder, davon eines ein Mädchen. Zwei Palästinenser wurden so schwer verletzt, dass sie ihre Augen verloren. Allein am Freitag wurden 152 Palästinenser:innen in der Al Aqsa-Moschee von Soldat:innen verwundet. Insgesamt 17 Palästinenser:innen wurden bisher im April 2022 durch Besatzungssoldat:innen getötet. Von Mittwoch auf Donnerstag kam es binnen 24h zu 5 getöteten Palästinenser:innen. Um diesen Beitrag übersichtlich zu halten, möchten wir für ausführlichere Informationen an dieser Stelle auf unsere Tagesmeldungen dieser Woche verweisen.
Westjordanland
Alltag: Zwischen dem 07.04. & 13.04.2022 fiel die israelische Besatzungsarmee 210 Mal in Ortschaften des Westjordanlandes, einschließlich des besetzten Jerusalem, ein. Diese Übergriffe beinhalteten erneut willkürliche Razzien in zivilen Wohnhäusern, Verhaftungen sowie Schießereien der Soldat:innen, die Angst unter der Zivilbevölkerung hervorriefen. Es kam zu Todesfällen (s. Tagesmeldungen).
Im Jahr 2022 ist die israelische bisher 2.260 Mal gewaltsam in Ortschaften des Westjordanlandes, einschließlich Jerusalem, eingefallen, wobei 1.360 Palästinenser:innen festgenommen wurden, darunter 153 Kinder & 14 Frauen.
Die Besatzungsgewalt rief auch diese Woche zahlreiche Demonstrationen von Palästinenser:innen hervor (auch im Gazastreifen sowie innerhalb Israels, wo Palästinenser:innen mit israelischer Staatsbürgerschaft auf die Straßen gingen). Die Proteste wurde erneut mit Gewalt der Besatzer beantwortet.
Die palästinensische Bevölkerung des Westjordanlandes wehrte sich diese Woche verstärkt gegen die gewaltsamen Überfälle der israelischen Besatzungsarmee. Immer wieder wurden Militärfahrzeuge mit Steinen & Molotovcocktails beworfen. Bewaffnete Widerstandskämpfer beschossen israelische Militärcheckpoints. Insgesamt kam es an 186 Orten zu Konfrontationen zwischen palästinensischen Zivilisten & Widerstandskämpfern gegen israelisches Militär. Dabei wurden 14 israelische Soldaten & Siedler verletzt. 19 Mal kam es zu Schießereien auf israelische Militäreinrichtungen im Westjordanland.
Besatzungsgewalt: Neben den üblichen willkürlichen, gewaltsamen Razzien kam es am Freitag zu einem besonderen Höhepunkt der Besatzungsgewalt: Die israelischen Besatzungstruppen drangen am Freitagmorgen Morgen — mitten während des Fastenmonats Ramadan — mit äußerster Brutalität in die Qibli-Gebetshalle auf dem Gelände der Al-Aqsa-Moschee ein, griffen die anwesenden Gläubigen an & nahmen über 400 von ihnen willkürlich fest, darunter auch Kinder & verletzten 152 Personen, 2 davon schwer. Augenzeugen berichten, dass die Besatzer:innen die Al Aqsa-Moschee stürmten & mit Blendgranaten, Gummigeschossen & Tränengaskanistern direkt auf die Gläubigen feuerten, die aus den Räumlichkeiten nicht fliehen konnten. Auch auf Rettungssanitäter:innen wurde brutal eingeprügelt & Journalist:innen geschlagen, eine von ihnen musste wegen Kopfverletzungen behandelt werden. Mehrere Palästinenser, darunter auch Frauen, versuchten sich im weiteren Verlauf des Angriffs den Besatzungskräften entgegenzustellen & sie durch Steinwürfe zu verjagen.
Videos, Bilder & ausführliche Infos dazu hier 👉🏼 https://occupied-news.medium.com/armee-%C3%BCberf%C3%A4llt-al-aqsa-moschee-152-verletzte-400-verhaftete-827fd92420b8
Politische Gefangene: Zwei palästinensische Gefangene in israelischen Besatzungsgefängnissen setzen ihren unbefristeten Hungerstreik fort.
Der Häftling Khalil Awawdeh befindet sich seit 44 Tagen in einem unbefristeten Hungerstreik, um gegen seine Administrativhaft zu protestieren. Administrativhaft ist Willkürhaft: Sie erfolgt ohne Nennung von Gründen, Beweisen oder gar Anklage oder Gerichtsurteil. Sie ist außerdem beliebig oft verlängerbar. Nach internationalem Recht ist diese Form der Haft vollkommen illegal.
Awawdeh wurde für seinen Hungerstreik von den israelischen Behörden bestraft, in dem er in Einzelhaft verlegt wurde. Mittlerweile befindet er sich jedoch im Klinikgefängnis, nachdem sich sein Gesundheitszustand verschlechtert hatte. Der Gefangene leidet unter Kopf- & Gelenkschmerzen, Erschöpfung & Auszehrung leidet & hat über 16 kg an Gewicht verloren. Der vierfache Familienvater Awawdeh wurde am 27. Dezember 2021 festgenommen & wird seitdem ohne Anklage oder Gerichtsverfahren oder Nennung von Haftgründen in Haft gehalten.
Der Gefangene Khalil Musa Musbah ist seit 12 Tagen im Hungerstreik, um gegen seine 42 Tage andauernde Isolationshaft zu protestieren. Die israelische Armee nahm Musbah, der aus dem Flüchtlingslager Jenin stammt, im Jahr 2003 fest. Er verbüßt derzeit eine Haftstrafe von 20 Jahren.
Nach palästinensischen Angaben befinden sich derzeit etwa 4.850 Palästinenser, darunter 34 Frauen & 160 Kinder, in israelischen Haftanstalten.
Seit über 100 Tagen boykottieren 500 palästinensische Gefangene weiterhin die israelischen Militärgerichte, die für sie illegitime Schaugerichte darstellen.
Systematische Vertreibung der Palästinenser:innen zu Gunsten von Siedler:innen/Israelis:
Die Vertreibung & Zwangsenteignung von Palästinenser:innen ging auch diese Woche weiter. Zwar wurden diese Woche keine Familienhäuser zerstört, jedoch erneut landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge beschlagnahmt & Wohn- sowie Viehzelte palästinensischer Beduinen & Farmer zerstört. Die UN bezeichnet diese Praxis als Kriegsverbrechen, Amnesty International, Human Rights Watch & weitere Menschenrechtsorganisationen sowie die UN zeigen, dass es sich um eine Praxis israelischer Apartheidspolitik handelt, um die Demographie im besetzten Westjordanland zu Gunsten jüdisch-israelischer Siedler:innen zu verschieben.
Seit Anfang 2022 hat die Besatzungsarmee 40 palästinensische Familien obdachlos gemacht, insgesamt 244 Personen, darunter 47 Frauen & 113 Kinder. Dies war das Ergebnis des Abrisses von 50 Häusern & 5 Wohnzelten durch die Armee. Diese zerstörte außerdem 29 weitere zivile Objekte sowie 174.000m² landwirtschaftliche Nutzflächen & übermittelte 49 Abriss-, Bauverbots- & Zwangsräumungsbescheide.
Siedlergewalt: In der Woche vom 07. — 13.04.2022 verübten Siedler:innen 9 Angriffe im Westjordanland, bei denen 6 Palästinenser verletzt wurden, davon 2 durch scharfe Munition, & zahlreiche palästinensische Fahrzeuge beschädigt wurden.
In diesem Jahr haben Siedler bisher 95 Angriffe auf Palästinenser:innen & ihr Eigentum im Westjordanland verübt.
Keine Bewegungsfreiheit auf eigenem Land:
Im Westjordanland, einschließlich des besetzten Jerusalem, schränkt die israelische Besatzungsarmee weiterhin die Bewegungsfreiheit — ausschließlich — von Palästinenser:innen ein. Zusätzlich zu den 108 permanenten Militärcheckpoints richtete die Armee in dieser Woche 93 temporäre Militärkontrollpunkte ein & verhaftete willkürlich Palästinenser:innen an diesen. Die meisten dieser neuen Checkpoints befanden sich in Al Khalil/Hebron (39) & Bethlehem (17). Israelis sind von diesen Checkpoints nicht betroffen & dürfen sich in den besetzten Gebieten frei bewegen — teils auch auf eigenen Straßen, die nur sie benutzen dürfen, Palästinenser:innen jedoch nicht. Anlässlich des jüdischen Pessach-Festes soll zusätzlich das gesamte Westjordanland mit einer Ausgangssperre versehen werden, die nur für Palästinenser:innen gilt. Somit wird christlichen Palästinenser:innen das Pilgern an ihre heiligen Stätten zu Ostern sowie palästinensischen Muslimen das Beten während des Fastenmonats Ramadan zusätzlich verunmöglicht & ihre Religionsfreiheit weiter massiv eingeschränkt.
Im Jahr 2022 hat die Besatzungsarmee zusätzlich zu 108 permanenten Militärcheckpoints bisher 963 temporäre Militärcheckpoints eingerichtet.
Freiluft Gefängnis Gaza
Der Gazastreifen leidet immer noch unter der Totalblockade der israelischen Besatzung. Die totale Abriegelung hält nun das 15. Jahr in Folge an, mit katastrophalen Auswirkungen auf alle Aspekte des Lebens. Sie ist völkerrechtlich illegal. Die Menschen dürfen ohne israelische Genehmigung weder ein- noch ausreisen, es darf nicht exportiert werden, importiert werden darf nur wenig, die Resultate sind Massenarbeitslosigkeit, ein kollaboriertes Gesundheitswesen & Lebensmittelknappheit. Bis jetzt gibt Israel keinen Hinweis auf eine Lösung in der Zukunft, wodurch die Bevölkerung des Gazastreifens ihrer wirtschaftlichen, sozialen & kulturellen Rechte weiter beraubt wird. Nach Angaben des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten sind mehr als 62,2 % der Bevölkerung von Ernährungsunsicherheit betroffen. Laut der UN gilt der Gazastreifen aufgrund der Zustände als unbewohnbar.
Trotz im Mai 2021 verkündeter Waffenruhe: Die seit Jahren wöchentlichen Angriffe auf Gazas Fischer & Farmer blieben auch diese Woche nicht aus. Im Zeitraum zwischen 07.-13.04.2022 wurde folgendes dokumentiert: Fünf Mal eröffneten diese Woche Kanonenboote der israelischen Marine schweres Feuer auf Gazas Fischer. Die Fischer mussten zurück an die Küste fliehen & konnten folglich ihrer Arbeit nicht nachgehen. Es handelt sich um eine jahrelange Praxis Israels, durch die die Fischindustrie im durch die Blockade verarmten Gazastreifen weitgehend zusammengebrochen ist. 3 Mal feuerte die israelische Armee auf Farmer & Hirten im Gazastreifen.
Im Gazastreifen ist es einzelnen Berichten nach zu Hamsterkäufen gekommen, nachdem die israelische Armee gewaltsam die Al Aqsa-Moschee stürmte & Betende brutal angriff. Letztes Jahr zu Ramadan kam es tagelang zu solchen Angriffen der Besatzungsarmee gegen Gläubige in der Al Aqsa-Moschee während des Ramadan 2021. In Verbindung mit zeitgleichen Angriffen gegen die — nach wie vor — von Zwangsvertreibung bedrohten Einwohner:innen des Jerusalemer Viertels Silwan griffen palästinensische Widerstandsgruppen in Gaza Israel an, nachdem dieses mehrere Ultimaten zur Beendigung der Gewalt verstreichen ließ: In der Folge kam es zu 11 Tage währenden schweren Bombardements gegen die palästinensische Zivilbevölkerung in der abgeriegelten Enklave durch Israel — 248 Palästinenser:innen starben, darunter 66 Kinder. Die Menschen fürchten nun eine Wiederholung israelischer Luftangriffe.
Israel
Die israelische Regierung hat ihre Mehrheit wegen Brot verloren.
Die aktuelle Regierung ist nun mit 60 von 120 Mitgliedern im israelischen Parlament, der Knesset, vertreten, nachdem Idit Silman, ein Mitglied der rechten Partei des Premierministers, zur Opposition übergelaufen ist. Der Anlass: weil der Gesundheitsminister die Krankenhäuser & andere Einrichtungen seines Ministeriums daran erinnert hat, dass es Patienten & Besuchern nicht verboten werden kann, während des Pessachfestes Hametz-Brot in die Gebäude zu bringen. Hametz ist ein nicht koscheres Brot. Die israelische Regierung steht nun am Rande des Zusammenbruchs.