Massenverhaftungen wegen Schneebällen— Weekly Summary, 04.02.2022

Occupied News
7 min readFeb 5, 2022

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57-jähriger Palästinenser bei Überfall der Besatzungsarmee an Tränengas erstickt. Mehrere palästinensische politische Gefangene in besorgniserregendem Zustand, darunter willkürlich inhaftierter 18-Jähriger mit schwerer Autoimmunkrankheit, der nun an COVID-19 erkrankt ist. Israel hält 600 kranke Gefangene fest, darunter 18 mit Krebs. 500 Palästinenser:innen in Willkürhaft boykottieren seit über einem Monat isr. Militärgerichte. Massenverhaftungen wegen Spielens im Schnee & “Schneebällen gegen Soldat:innen”. 21 pal. Familien — insgesamt 128 Personen — seit Beginn 2022 durch Besatzung obdachlos gemacht. Diese Woche 3 Familien (17 Personen) im Winterwetter in die Obdachlosigkeit geschickt. 7 Angriffe israelische Kanonenboote auf Gazas Fischer, 6 Mal Schüsse auf Gazas Farmer. Israel verweigert erneut Import von Medizingeräten nach Gaza. Das & mehr, was in der Woche vom 27.01. & 04.2022 im historischen Palästina passierte:

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Getötet

Der Palästinenser Fahmi Abd Al Rauf Hemed (57) verstarb am 25. Januar in Folge eines Überfalls der israelischen Besatzungsarmee auf das Flüchtlingslager Qalandia. Er litt seinem langem unter Problemen in der Atemwege. Als israelische Soldat:innen willkürlich das Lager stürmten, warfen sie — wie üblich — auch Unmengen an Tränengaskaninstern in die Gassen & Familienhäuser. Davon war auch Hemed betroffen, minutenlang muss er das Tränengas einatmen: Er schnaubte ungefähr zwanzig Minuten lang & verstarb daran. In dem Lager, in dem er sein ganzes Leben als palästinensischer Flüchtling verbringen musste.

Politische Gefangene

Fast 500 palästinensische Häftlinge in Adminsitrativhaft in israelischen Gefängnissen fahren seit über einem Monat fort, die israelischen Militärgerichte zu boykottieren, um gegen ihre unbefristete Willkürhaft ohne Anklage, ohne Nennung von Gründen oder Beweisen & ohne Prozess zu protestieren. Noch dazu ist diese Haft beliebig oft ohne Nennung von Gründen verlängerbar.

Der Gefangene Abdel Basset Mataan (49) leidet an Dickdarm- & Drüsenkrebs. Vor seiner willkürlichen Verhaftung unterzog er sich mehreren komplexen Operationen & Chemotherapien, die seinen Zustand beeinträchtigten. Israel hält ihn ohne Anklage fest & gefährdet seine Gesundheit massiv.

Mutassam Raddad (38) der sich seit 2006 in Administrativhaft befindet, leidet an einer Herzerkrankung, Nervenproblemen, Osteoporose, Anämie & einer starken Gewichtsabnahme. Sein Gesundheitszustand droht sich weiter zu verschlechtern: Nicht nur aufgrund der Haftbedingungen, sondern auch der psychischen Belastung der unbefristeten willkürlichen Haft, gegen die man sich juristisch nicht wehren kann.

Die Organisation Defense for Children International — Palestine (DCIP) & die Prisoner Support and Human Rights Association, Addameer, haben die sofortige Freilassung von Amal Nakhleh (18) gefordert, da er an Myasthenia gravis leidet, einer seltenen neuromuskulären Autoimmunerkrankung, die eine Schwäche der Skelettmuskulatur verursacht & zur Vermeidung weiterer gesundheitlicher Komplikationen eine spezialisierte medizinische Versorgung, regelmäßige Medikation & ständige Überwachung der Symptome erfordert. Auch er befindet sich seit Januar 2021 in Haft ohne Nennung von Gründen oder Beweisen & ohne Anklage oder Gerichtsurteil. Seinen 18. Geburtstag verbrachte er hinter Gittern im Besatzungsgefängnis, wo er diese Woche auch an COVID-19 erkrankte.

Amal Nakhleh (18)

Nach Angaben der Palästinensischen Kommission für Gefangenenangelegenheiten hält Israel 600 kranke Gefangene fest, darunter 18 mit Krebs.

Westjordanland

Alltag: Zwischen dem 27.01. & 02.02.2022 fiel die israelische Besatzungsarmee 132 Mal in Ortschaften des Westjordanlandes, einschließlich des besetzten Jerusalem, ein. Diese Übergriffe beinhalteten erneut willkürliche Razzien in zivilen Wohnhäusern, Verhaftungen sowie Schießereien der Soldat:innen, die Angst unter der Zivilbevölkerung hervorriefen. Während der Übergriffe in dieser Woche wurden 112 Palästinenser:innen willkürlich verhaftet, darunter 1 Frau & 8 Kinder. Ein Palästinenser wurde während eines Armee-Angriffs in Dayr Jarir im Osten Ramallahs mit einer scharfen Kugel in den Rücken geschossen. 2 weitere Palästinenser, darunter ein Kind, wurden in Kafr Qaddum durch gummiumantelte Stahlgeschosse verwundet.

Israelische Besatzungstruppen greifen Palästinenser:innen in Beit Dajan an, die an einem Protest gegen die Besatzung teilnehmen. Besetztes Beit Dajan, 28.01.2022

Von Mittwoch- bis Donnerstagabend verhafteten die israelische Besatzungstruppen 54 Palästinenser:innen aus verschiedenen Gebieten der besetzten Stadt Jerusalem, weil sie im frisch gefallenen Schnee spielten & palästinensische Flagge dabei hatten. Die israelischen Besatzungstruppen behaupteten, die Palästinenser:innen seien verhaftet worden, weil sie Schneebälle die Soldaten & Siedler geworfen hätten.

So sah Jerusalem diese Woche nach erneuten Schneefällen aus.

Viele dieser gewaltsamen Übergriffe der Besatzer stießen auf Widerstand der Bevölkerung, meist nur durch Steine & Feuerwerkskörper der Bewohner:innen, die gegen Armeefahrzeuge geworfen werden, in einigen Fällen auch Molotow-Cocktails. In der letzten Woche meldete Israel 4 Schussangriffe seitens des palästinensischen Widerstandes auf einen großen Militärcheckpoint im Westjordanland. Es wurden keine Verletzten oder Todesopfer gemeldet. Die Bestzungsarmee startete nach jedem dieser Anschläge eine Suchaktion in der Region. Diese Angriffe häufen sich in den letzten Monaten, vor allem seit letztem Dezember. Im Jahr 2021 wurde nach mehr als 10 Jahren wieder auf israelische Armeetruppen, während sie in Städte & Ortschaften einfielen, geschossen. Es ist schwierig, eine vertrauenswürdige Quelle für die Zahl der Angriffe zu finden. Die einzige Quelle sind meist Berichte der israelischen Armee.

Jede Form von Protest gegen die völkerrechtswidrige Besatzung, Landraub & Vertreibung wurde von der Besatzung mit massiver Gewalt beantwortet, es kam zu zahlreichen Verletzten. 4 Palästinenser, darunter 2 Kinder, wurden diese Woche bei einem Angriff von Soldat:innen auf den wöchentlichen friedlichen Protest in Kafr Qaddum, nördlich von Qalqilya, durch gummiumantelte Stahlgeschosse verwundet. Mindestens 79 palästinensische Demonstrant:innen wurden heute am Freitag in den Dörfern Beita & Beit Dajan nahe Nablus im besetzten Westjordanland von israelischen Besatzungstruppen verletzt, als sie an den wöchentlichen Anti-Besatzungsprotesten teilnahmen.

Angriffe von Soldat:innen auf friedliche, unbewaffnete pal. Demonstrant:innen in Beit Dajan. 04.02.2022

Systematische Vertreibung der Palästinenser:innen zu Gunsten von Siedlern: Im gesamten Westjordanland wurden diese Woche wieder palästinensisches Wohneigentum sowie wirtschaftliche Einrichtungen gezielt durch die Besatzung zerstört. Weitere Palästinenser:innen, vor allem Familien, sind somit seit dieser Woche obdachlos, weitere haben ihre wirtschaftliche Grundlage verloren. Die UN bezeichnet diese Praxis als Kriegsverbrechen, Amnesty International, Human Rights Watch & weitere Menschenrechtsorganisationen zeigen, dass es sich um eine Praxis israelischer Apartheidspolitik handelt, um die Demographie im besetzten Westjordanland zu Gunsten jüdisch-israelischer Siedler:innen zu verschieben.

Seit Anfang 2022 haben die israelischen Besatzungstruppen 21 Familien obdachlos gemacht, insgesamt 128 Personen, darunter 23 Frauen & 50 Kinder. Dies war die Folge des Abrisses von 26 Häusern & 3 Wohnzelten durch die israelische Armee. Außerdem zerstörte sie 10 weitere zivile Objekte.

Die Besatzung zerstörte diese Woche 8 Häuser im Westjordanland, darunter 5, die sich noch im Bau befanden. Die Inneneinrichtung einer weiteren Wohnung, die der Familie von Abu Shkhaydam wurde vollständig zerstört & die Eingangstür versiegelt. Abu Shkhaydam hatte im vergangenen Jahr einen Siedler getötet & wurde anschließend von Soldat:innen erschossen. Nun wurde seine Familie für die Tötung des Siedlers kollektiv bestraft: Seine Frau & 4 Kinder sind nun obdachlos.

Israelische Soldat:innen marschieren auf, um die Familie Abu Shkhaydams kollektiv zu bestrafen: Für die Tat eines einzelnen wird die gesamte Familie mitten im Winter in die Obdachlosigkeit geschickt. Besetztes Jerusalem, 01.02.2022

Insgesamt wurden diese Woche 3 Familien mit insgesamt 17 Personen, darunter 3 Frauen & 12 Kindern, obdachlos. Die Armee zerstörte auch andere Einrichtungen & Grundstücke, verhängte darüber hinaus 11 Bauverbotsbescheide gegen 4 Häuser, eine Moschee & andere gewerbliche Einrichtungen, darunter 2 Gewächshäuser & ein Stromnetz, das ein Gebiet südlich von Al Khalil (Hebron) versorgte. Die meisten der zerstörten Häuser befanden sich im besetzten Ost-Jerusalem. 4 der Jerusalemer Häuser mussten von den Besitzern selbst zerstört werden: Die Besatzung stellt die Kosten für einen (illegitim) angeordneten Abriss den Eigentümern in Rechnung, was häufig den finanziellen Ruin der Betroffenen bedeutet, weswegen sie gezwungen sind, mit eigenen Händen das abzureißen, was sie selbst zuvor mit eigenen Händen errichtet haben.

Die Jerusalemer Familie Obeid hat auf Anordnung der Besatzung ihr aus zwei Wohnungen bestehendes Haus im Viertel Al Issawiya selbst abgerissen, wodurch 7 Bewohner:innen obdachlos wurden. Besetztes Jerusalem, 31.01.2022

Es sei in dem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass diese Zwangsvertreibungen nicht nur in Mitten der Corona-Pandemie stattfinden, sondern es diese Woche immer wieder zu kräftigen Schneeschnauern im Gebiet des historischen Palästinas kam.

Siedlergewalt: Der Palästinenser Mohammad Abul Hummus, wurde heute laut Zeugenaussagen von einem israelischen Siedler im Jerusalemer Stadtteil Sheikh Jarrah niedergestochen & verletzt. Das Viertel soll aktuell zu Gunsten illegaler Siedler zwangsgeräumt werden.

Am 27. Januar griff eine Gruppe von Siedlern aus der illegalen Siedlung “Kiryat Arba” in Al Khalil (Hebron) Palästinenser:innen an, die im Schnee spielten. Am 29. Januar 2022 attackierte eine Gruppe von Siedlern des Siedler-Außenpostens “Mitarim” Hirten an. Die Siedler wollten außerdem den Hirten den Zugang zu ihrem Land verwehren, da es die Siedler:innen für die Erweiterung ihres Außenpostens beschlagnahmen wollen.

Im Januar 2022 drangen insgesamt 3.078 israelische Siedler gewaltsam in die Al Aqsa-Moschee ein, begleitet von israelischen Soldat:innen, um dort anwesende Muslime zu provozieren, zu attackieren & ihrem Wunsch nach Zerstörung der Moschee Ausdruck zu verleihen.

Freiluft Gefängnis Gaza

Der Gazastreifen leidet immer noch unter der Totalblockade der israelischen Besatzung. Die totale Abriegelung hält nun das 15. Jahr in Folge an, mit katastrophalen Auswirkungen auf alle Aspekte des Lebens. Die Menschen dürfen ohne israelische Genehmigung weder ein- noch ausreisen, es darf nicht exportiert werden, importiert werden darf nur wenig, die Resultate sind Massenarbeitslosigkeit, ein kollabiertes Gesundheitswesen & Lebensmittelknappheit. Am 29. Januar 2022 gab das palästinensische Gesundheitsministerium in Gaza bekannt, dass die israelischen Behörden die Einfuhr neuer medizinischer Radiologiegeräte für die Krankenhäuser im Gazastreifen für mehrere Monate verboten haben, darunter auch stationäre & mobile Röntgengeräte.

Szenen aus Gaza diese Woche. Via Muhammad Smiry.

Bis jetzt gibt Israel keinen Hinweis auf eine Lösung in der Zukunft, wodurch die Bevölkerung des Gazastreifens ihrer wirtschaftlichen, sozialen & kulturellen Rechte weiter beraubt wird. Nach Angaben des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten sind mehr als 62,2 % der Bevölkerung von Ernährungsunsicherheit betroffen.

Trotz im Mai 2021 verkündeter Waffenruhe: Die wöchentliche Angriffe auf Gazas Fischer & Farmer blieben auch diese Woche nicht aus. 7 Mal eröffneten diese Woche Kanonenboote der israelischen Marine schweres Feuer auf Gazas Fischer. Die Fischer mussten zurück an die Küste fliehen & konnten folglich ihrer Arbeit nicht nachgehen. Es handelt sich um eine jahrelange Praxis Israels, durch die die Fischindustrie im durch die Blockade verarmten Gazastreifen weitgehend zusammengebrochen ist. 6 Mal feuerte die israelische Armee auf Farmer & Hirten im Gazastreifen.

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