“Reporter ohne Grenzen” ruft Internationalen Strafgerichtshof wegen israelischer Kriegsverbrechen an — Dienstag, 18.05.2021
(Stand 21:00 Uhr) Gesamtes historisches Palästina: Generalstreik — alle palästinensischen Läden schließen, Hunderttausende streiken | Gaza: 217 Getötete, darunter 63 Kinder | erneut medizinische Einrichtung & Wohnhäuser durch Israel angegriffen | 3 Angriffe auf Mediengebäude in 5 Tagen — Reporter ohne Grenzen ruft den Internationalen Strafgerichtshof wegen israelischer Kriegsverbrechen an | Besetztes Jerusalem & Westjordanland: 3 Palästinenser*innen bei Demonstrationen von israelischen Soldat*innen erschossen, weiterer Palästinenser bei vermutlichem Angriff auf Soldat*innen getötet, in den letzten 8 Tagen 23 Palästinenser*innen im Westjordanland getötet | Angriff auf Soldat*innen an Militärcheckpoint, 2 verletzt | Israel: auch palästinensische Staatsbürger*innen Israel beginnen landesweiten Generalstreik in Solidarität mit Gaza & Jerusalem, Proteste gegen Apartheid halten an | palästinensischer Raketenbeschuss auf mehrere Ortschaften, mehrere Israelis leicht verletzt, einer schwer, insgesamt nun 10 Getötete auf israelischer Seite
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Gaza
Die Zahl der durch israelische Luftangriffe Getöteten im Gazastreifen ist auf 217 angestiegen, darunter 63 Kinder & 36 Frauen. Mehr als 1.500 wurden verletzt.
Israelische Kampfjets haben am gestrigen Montag das Büro der Qatarischen Roten Halbmondes (QRCS) in Gaza bombardiert, wobei 2 Palästinenser getötet & 10 weitere verletzt wurden. Der Generalsekretär des QRCS, Ali bin Hassan Al-Hammadi, bezeichnete den Angriff als eklatante Verletzung der Genfer Konvention, die Israel unterzeichnet hat. Das Außenministerium von Katar verurteilte ebenfalls die “Bombardierung des Gebäudes der Red Crescent Society durch die israelische Besatzung” und fügte hinzu, dass “das Anvisieren von humanitären & medialen Einrichtungen eine klare Verletzung des internationalen Rechts, der humanitären Normen & Werte” sei. Es stellt gemäß Völkerrecht ein Kriegsverbrechen dar. Der Angriff am Montag kam, als internationale Menschenrechtsgruppen Israel für seine wahllosen Angriffe gegen Krankenwagenbesatzungen & Gesundheitseinrichtungen anprangerten, darunter eine Besatzung von Ärzte ohne Grenzen (MSF) sowie das Gebäude des Gesundheitsministeriums.
“Reporter ohne Grenzen” rief heute Fatou Bensouda, die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), dazu auf, die israelischen Luftangriffe auf Medien im Gazastreifen zu untersuchen. Am Samstag, 15. Mai, hatten israelische Luftangriffe die Büros des katarischen Fernsehsenders Al Jazeera & der US-amerikanischen Nachrichtenagentur Associated Press (AP) zerstört. Die israelische Armee gab an, dass sich in dem Gebäude „militärgeheimdienstliche“ Ausrüstung der im Gazastreifen regierenden Hamas befunden habe. Die AP weist das zurück: Das Büro der Agentur sei seit 15 Jahren in diesem Gebäude untergebracht. In dieser Zeit habe es keine Hinweise auf Hamas-Tätigkeiten gegeben. AP habe dies aus Gründen der Sicherheit für ihre Journalistinnen & Journalisten selbst & aktiv überprüft. Am 13. Mai traf ein israelischer Luftangriff den al-Shorouk-Turm in Gaza-Stadt. In dem 14-stöckigen Gebäude hatten sieben Medienunternehmen ihre Büros, darunter der Fernseh- und Radiosender al-Aqsa. Einen Tag zuvor hatte die israelische Armee den Al Jawhara-Turm zerstört, ebenfalls in Gaza-Stadt. In dem zehnstöckigen Gebäude befanden sich die Büros von 14 Medienhäusern, darunter die Tageszeitung Palestine News & der panarabische Fernsehsender Al Araby. Laut der israelischen Armee seien diese Angriffe gerechtfertigt, weil die Hamas militärische & geheimdienstliche Infrastruktur in den Gebäuden versteckt habe. Dies ist jedoch nicht nachgewiesen. Außerdem: Das humanitäre Völkerrecht rechtfertigt in keinem Fall Angriffe auf zivile Einrichtungen wie Medienunternehmen. Bereits im Mai 2018 hatte Reporter ohne Grenzen den IStGH aufgefordert, Ermittlungen aufzunehmen. Damals hatten israelische Scharfschützen bei Zusammenstößen an der Grenze des Gazastreifens auf insgesamt 20 palästinensische Journalistinnen und Journalisten geschossen. Reporter ohne Grenzen betrachtet dies als Kriegsverbrechen gemäß dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs.
(https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/gezielte-angriffe-auf-medien-sind-kriegsverbrechen)
Auch die gezielte Bombardierung von Wohnungen & ziviler Infrastruktur durch die israelische Armee geht unvermindert weiter. Mittlerweile sind etwa 1.000 Wohneinheiten komplett zerstört, 6.000 weitere beschädigt & 40.000 Menschen obdachlos.
Besetztes Jerusalem & Westjordanland
Insgesamt wurden heute 4 Palästinenser durch israelische Besatzungssoldat*innen getötet, darunter ein Minderjähriger. Die Anzahl der in den vergangenen 8 Tagen getöteten Palästinenser*innen im Westjordanland ist damit auf 23 gestiegen, kein Israeli/Siedler wurde hier in diesem Zeitraum getötet.
Der junge palästinensische Demonstrant Muhammad Isha Ihmeid (25) wurde durch die Soldat*innen getötet & 64 weitere verwundet während eines Protests am Militärcheckpoint Beit El in der besetzten Stadt Bireh. Die meisten wurden durch scharfe Munition verletzt. Außer dieser wurden auch gummibeschichtete Stahlmunition, Drohen & Tränengaskanister gegen die Demonstrant*innen eingesetzt. Diese wiederum antworteten mit Steinwürfen & dem Einsatz von Feuerwerkskörpern. Im gleichen Zusammenhang eröffneten unbekannte Palästinenser das Feuer auf israelische Besatzungssoldat*innen am Militärcheckpoint & verletzten 2 Soldaten.
Auch in dem von einer ethnisch motivierten Zwangsräumung bedrohten Jerusalemer Viertel Sheikh Jarrah gab es Proteste, bei denen Palästinenser*innen verletzt wurden. Am Ortseingang zum besetzten Ramallah wurden heute mindestens 10 palästinensische Demonstrant*innen durch scharfe Munition verletzt.
Israelische Streitkräfte haben außer 3 Demonstranten auch einen jungen Palästinenser erschossen, der versucht haben soll, israelische Soldat*innen an einem Militärcheckpoint in der Nähe der Ibrahimi-Moschee im besetzten Al Khalil (Hebron) zu erstechen. Augenzeugen berichten, dass die Besatzungssoldat*innen intensiv das Feuer auf den jungen Mann eröffneten & ihn schwer verwundeten, bevor er später für tot erklärt wurde. Örtliche Quellen sagten, dass sowohl Zivilisten als auch Rettungssanitäter daran gehindert wurden, dem Verwundeten erste Hilfe zu leisten oder in ein Krankenhaus zu bringen. Die Soldat*innen eröffneten auch das Feuer auf Journalist*innen & hinderten sie daran, über den Vorfall zu berichten.
Israel
Von Safad & Akko ganz im Norden Israels bis Bir Sabe’ im Süden treten palästinensische Staatsbürger*innen Israels im ganzen Land in einen Generalstreik, um sich mit Gaza & Jerusalem zu solidarisieren sowie gegen ihre 73-jährige Unterdrückung, Diskriminierung & Apartheid durch Israel zu protestieren. Auch in den von Israel besetzten & kontrollierten Gebieten begann der Generalstreik, Hunderttausende streiken. Vor genau 85 Jahren begannen Palästinenser*innen einen Generalstreik gegen die britische Besatzung in Palästina, der 6 Monate andauerte — & somit zum längsten in der Geschichte wurde. Erneut wird dieses Protestmittel gewählt, um seinen Forderungen nach Gerechtigkeit Ausdruck zu verleihen.
“Wir wollen eine klare Botschaft senden, dass wir zusammenstehen & Schluss sagen zu der Aggression gegen Gaza. Aber wir sagen auch genug mit den Angriffen auf die Al Aqsa-Moschee, genug mit Besatzung & zum Siedlungsbau und genug mit ungerechten Behandlung der Palästinenser*innen.”
— Essam Bakr, einer der Organisatoren des Generalstreiks
Unterdessen verlängerte Israel den Ausnahmezustand in Lydda (Lod) um 48 Stunden, um sicherzustellen, dass es in den nächsten Stunden nicht zu brisanten Situationen kommt. Im Lydda kam es während des aktuellen Aufstandes zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Einheimische griffen Polizeistationen an, nachdem jüdische Israelis in Lyyda Lynchangriffe auf sie verübt hatten, einen Palästinenser erschossen & die Moschee der Stadt niederzubrennen. Ebenso kam es zu Übergriffen von palästinensischer Seite aus auf eine jüdische Schule & Synagoge.
Die landesweiten Proteste palästinensischer Staatsbürger*innen Israels gegen die Gewalt in Gaza, Jerusalem, dem Westjordanland, aber auch innerhalb Israels halten weiter an. Ebenso die Gewalt gegen sie durch Polizei & jüdische Rechtsradikale & 73 Jahre währende, ethnisch begründete Diskriminierung durch Israel.
Die Ortschaften Eshkol, Ashdod & Beersheba wurden von palästinensischen Raketen getroffen. Insgesamt wurden 14 Israelis leicht verletzt, einer schwer. Ein Israeli kam ums Leben. Die Anzahl an durch palästinensische Raketen Getöteten auf israelischer Seite beträgt nun 10.