Während Steinmeier sich gegen Gerechtigkeit stellt, zeigt Protest in Beita Erfolg, Siedler ziehen ab

Occupied News
8 min readJul 3, 2021

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Westjordanland

Beita — Ein Teilsieg: Nach heftigen Protesten hat die israelische Armee angefangen, die Siedler:innen aus „Avatar“ abzuziehen. Seit mehreren Wochen protestieren Palästinenser:innen fast täglich gegen die neu errichtete Siedlung auf den Feldern des Dorfes Beita. 4 Palästinenser:innen wurden bei friedlichen Demonstrationen von israelischen Soldat:innen erschossen, darunter ein 15- & ein 16-jähriges Kind. Allein am Freitag, den 28.06., sind fast 400 Palästinenser:innen durch die israelische Besatzungsarmee verletzt worden: angefangen bei Atmenot durch aggressives Tränengas bis hin zu Verletzungen durch gummiumantelte Stahlgeschosse, einer befindet sich in kritischem Zustand im Krankenhaus.

Palästinenser:innen in Beita demonstrieren Tag & Nacht gegen die neue Siedlung. Auch Verletzte nehmen weiter an den Protesten teil.
Jüdische Aktivisten haben am 02.07.2021 mit den Palästinenser:innen demonstriert. Fotos: Oren Ziv

Die israelische Regierung will die Siedlung aber nicht endgültig aufgeben, sondern diese vorerst in einen Militärstützpunkt der Besatzung umwandeln. Später soll dort eine „Religionsinternat“ errichtet werden, in dem dutzende Schüler wohnen sollen. Der neu gewählte israelische Premierminister Bennett stammt aus der Siedlungsbewegung.
Palästinenser:innen in Beita haben seit letzter Woche jede Nacht Aktionen zur nächtliche Ruhestörung veranstaltet, um die Siedler:innen von dem gestohlenen Land zu vertreiben: Mit Lichtern/Laserpointern in Richtung der Siedlung leuchten, stinkendem Rauch durch Reifen rings um die Siedlung verbrennen & laute Musik & Rufe durch Lautsprecher.

Alle israelische Siedlungen sind völkerrechtswidrig & stellen möglicherweise Kriegsverbrechen dar. Manche, wie Avatar, sind selbst laut israelischer Gesetzgebung illegal. Der Deal zwischen den Siedlern & der neuen Regierung zeigt die Macht der Siedler & deren Unterstützung.

Die Räumung der Siedlung von den bewaffenten Siedler

Psychisch Kranker angeschossen: Am Freitag, 25.06., eröffnete die israelische Besatzung nahe der Siedlung “Yitzhar” südlich von Nablus das Feuer auf einen palästinensischen Mann. Sie behaupteten, er habe versucht, einen Messerangriff durchzuführen. Der Mann, Mohammed Kamal Jamil ‘Aranda (36), wurde verwundet & verhaftet. Mohammed leidet an psychischen Störungen.

PA importiert Unterdrückungsmittel aus Israel: Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hat kürzlich einen Antrag auf Beschaffung von Ausrüstung an Israel gestellt, um die Demonstrationen gegen die PA aufzulösen. Die israelische Webseite “Ynet” berichtet weiter, dass die Lieferung von Ausrüstung dieser Art mit israelischer Genehmigung & in begrenzten Mengen erfolgt. Sie zitiert palästinensische Quellen, die die genannten Geräte, wie Tränengaskanister & Blendgranaten, einsetzten, als die PA Demonstrationen nach ihrer Ermordung des Aktivisten Nizar Banat brutal niederschlug. Am vergangenen Sonntag forderte das Menschenrechtsbüro der UN in Palästina dazu eine Untersuchung. Vergangene Woche verhafteten & töteten Sicherheitskräfte der PA den politischen Aktivisten Nizar Banat. Die PA hat eine Untersuchung gestartet. 14 Mitglieder der Sicherheitskräfte wurden bereits entlassen.

Demonstranten gegen den palästinensischen Präsidenten

Besatzungsgewalt: 121 Mal fiel die isr. Besatzungsarmee gewaltsam in Ortschaften des Westjordanlandes, einschließlich Jerusalem, ein: Dabei wurden 80 pal. Zivilisten willkürlich verhaftet, darunter 9 Kinder, 2 Schwestern & ein 71-jähriger Parlamentarier. Die meisten palästinensischen Zivilisten wurden bei willkürlichen nächtlichen Razzien pal. Familienhäuser durch die isr. Armee verhaftet. Diese Razzien sind durch exzessive Gewaltanwendung, Verwüstung, Waffeneinsatz, Angriffe auf & Misshandlungen von Zivilisten durch die Soldat*innen gekennzeichnet. Es handelt sich um eine jahrzehntelange Praxis der Besatzung. In Jenin haben palästinensische Bewaffnete auf die einmarschierende israelische Armee geschossen & sie so zurückgedrängt. Da der bewaffnete Widerstand im Westjordanland in den vergangenen 10 Jahren sehr selten auftrat, stellen diese Ereignisse eine wichtige neue Entwicklung dar.

Jerusalem / Al Quds:

Am Dienstag haben die israelischen Behörden angefangen, das Viertel Al Bustan im Jerusalemer Vorort Silwan für einen biblischen Park zu zerstören. 1500 Palästinenser*innen sollen zu Gunsten “König David” — der Name des Bibelparks — in den nächsten Wochen obdachlosen werden. Dutzende Häuser & kommerzielle Einrichtungen sollen dafür von deren Inhabern selbst zerstört werden, andernfalls wird eine Strafe von mehreren Zehntausen Euro für jedes Haus anfallen.
Wir haben ausführlich über das Thema hier berichtet:

Abriss von Wohn- & Geschäftseigentum in Silwan, 29.06.2021
Eine Palästinenserin in Silwan Fotografiert was vorher ihr Haus war.

Freiluftgefängnis Gaza:

Erneute Bombardierung: Die israelische Luftwaffe hat vor der Dämmerung am Freitag Gaza bombardiert. Laut Armee soll die Bombardierung eine Antwort auf „Brandballone“ sein, die 4 Brände in Südisrael ausgelöst haben sollen. Es gab auf beiden Seiten keine Verletzten.

Die israelische Besatzung verhängt seit 14 Jahren mit ägyptischer Hilfe eine illegale Blockade gegen den Gazastreifen, die alle Aspekte des Lebens stark beeinträchtigt. Die Blockade ist seit Mai noch viel straffer geworden.

Einmal diese Woche eröffneten israelische Soldat:innen das Feuer auf pal. Farmer im Gazastreifen.

Wirtschaftliche Konsequenzen der Blockade: Da die israelische Besatzung die Einfuhr von Waren in den Gazastreifen verhindert, sind mehr als 90 % der Fabriken geschlossen, teilte „das Volkskomitees zur Aufhebung der Belagerung des Gazastreifens“ in einer Erklärung diese Woche mit. Weiter wird berichtet, dass die israelische Besatzung die Einfuhr von Waren nach Gaza im Wert von mehr als 100 Millionen Dollar verhindert, Obwohl für diese Waren offizielle israelische Einfuhrgenehmigungen vorliegen.

Das stellt einen „schweren Schlag für die Volkswirtschaft im Gazastreifen & alle Aspekte des Lebens dar. Diese Maßnahmen & die anhaltende Schließung des einzigen Handelsübergangs haben große Auswirkungen auf die hohen Raten von Arbeitslosigkeit & Armut, die durch die Blockade bereits hoch sind.”
Die israelische Besatzung hat den einzigen Handelsübergang Kerem Shalom in Gaza, der seit Beginn der letzten Aggression (10. bis 21. Mai zuletzt) ​​unter ihrer Kontrolle steht, geschlossen & teilweise wiedereröffnet, während sie weiterhin den Export vieler Waren verhindert.

Der Bericht des “Euro-Med Human Rights Monitor” legte diese Woche ebenfalls erschreckende Zahlen vor:
- 91% der Kinder in Gaza leiden an Posttraumatischen Belastungsstörung
- 241 Kinder haben einen oder beide Elternteile verloren️
- das Zuhause von 47.400 Kinder wurde teilweise/vollständig zerstört.
- 4.000 Kinder wurden aufgrund des jüngsten israelischen Angriffs im Mai 2021 vertrieben
Der vollständige Bericht ist hier zu finden: https://t.co/fkEiglL1ml

Politische Gefangene

Die Gefangenen in einem der größten israelischen Besatzungsgefängnissen, dem „Ofer“-Gefängnis, haben solidarische Schritte für ihren Mitstreiter:innen unternommen. Die Gesundheitslage von zwei für ihre Freiheit Hungerstreikenden ist in hohen Gefahr. Ghadhanfar Abu Atwan (28) aus Al Khalil (Hebron) führt seinen Hungerstreik gegen seine Willkürhaft seit 60 Tagen. Er wurde letzten Oktober ohne Anklage oder Nennung von Gründen zu 6 Monate „Administrativhaft“ verurteilt, die noch für weitere 6 Monaten verlängert worden sind. Videos aus seinem Krankenhauszimmer zeigen die desaströse Lage seiner Gesundheit, aber auch sein starken Willen zur Freiheit. Dutzende palästinensische Aktivist*innen in Israel haben eine Mahnwache vor dem Krankenhaus organisiert, wo Ghadhanfar zurzeit liegt.
Jamal Al Taweel ist in seinem 31. Tag des Hungerstreiks gegen die Administrativhaft seiner Tocher, der Journalist Bushra. Er selbst ist ebenfalls in Administrativhaft. Seine Frau berichtet, dass er mehr als 15 kg verloren hat & unter Ohnmachtsanfällen leidet.

Ghadhanfar vor dem Hungerstreik & nach 58 Tage später. Er hungert weiter gegen seine unbegründete Willkürhaft.

Steinmeier stellt sich gegen Gerechtigkeit

Der Deutsche Bundespräsident Steinmeier hat diese Woche Israel besucht & dort die Ablehnung der deutschen Regierung gegen eine Internationale Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen Israels & der Hamas durch den Internationalen Strafgerichtshof betont. Der internationale Strafrechtsgerichtshof will eine Ermittlung wegen möglicher Kriegsverbrechen von allen Seiten in den besetzten palästinensischen Gebieten durchführen. Deutschland will Israel in Schutz vor Gerechtigkeit nehmen. Obwohl Deutschland den Staat Palästina nicht anerkennt, behauptete der deutsche Politiker, dass sein Land die Zweistaaten-Lösung nach wie vor unterstütze. Der palästinensische Staat in den Grenzen von 1967 könne, seiner Aussagen nach, nur anhand von Verhandlungen mit Israel (dem Besatzer) zustande kommen. Das Völkerrecht als Basis hat er nicht erwähnt.

Palästinenser*innen innerhalb Israels:

Die Kriminellen sind Kollaborateure des Sicherheitsdienstes: In einem Bericht des israelischen Kanals 12 sagte ein israelischer Polizeibeamter aus, dass die Mehrheit der Anführer krimineller Handlungen in den arabischen Gemeinschaften Israels mit dem israelischen Sicherheitsdienst (Shin Bet) kooperiert, was die Möglichkeiten einschränkt, gegen sie vorzugehen. Laut dem Sender kamen die Aussagen des Polizeibeamten während einer kürzlichen Sitzung im Polizeipräsidium. „Die Täter, die schwere Verbrechen in der arabischen Gesellschaft anführen, sind meist Kollaborateure des Shin Bet. Diese Situation bindet die Hände der Polizei. Diese Kollaborateure, die Immunität genießen, können nicht belangt werden.” In „Occupied News“ haben wir in den letzten Monaten wöchentlich von dem Thema berichtet. Die Palästinenser:innen mit israelischer Staatsangehörigkeit gingen in Israel viele Male auf die Straßen & führten Generalstreiks durch gegen die ansteigende Kriminalität & die Tatenlosigkeit der Polizei. Auch diese Woche gab es einen Generalstreik in der Stadt Arara. Seit Anfang des Jahres kamen schon 46 Palästinenser:innen in Israel durch Kriminalität ums Leben.

Zerstörung eines ganzen Dorfes: Die israelischen Behörden zerstörten am Sonntag die Häuser des nicht mehr anerkannten Dorfes Al Araqib in der Negev-Region im Süden des Landes. Der Abriss des Dorfes, das Jahrzehnte älter als der Staat Israel ist, ist der 7. innerhalb dieses Jahres & 189. seit Jahr dem Jahr 2000. Die Einwohner:innen errichten jedes Mal neue Behausungen aus Holz & Nylon, um sich vor der extremen Hitze im Sommer & der bitteren Kälte im Winter zu schützen & sich ihrer staatlich gewollten Vertreibung zu widersetzen. Sie wollen nicht von ihrem Land vertrieben werden.

Morde in arbischen Dörfern stören weniger”: Der neue israelische Ministerpräsident & der Minister für Sicherheit teilten diese Woche ihre Einschätzung, dass die hohe Kriminalitätsrate eine Folge der Vernachlässigung durch vorherige Regierungen ist. Der Minister der internen Sicherheit “Es ist klar, dass sie (die vorherigen Regierungen) weniger beunruhigt waren, solange die Morde in arabischen Dörfern stattfinden.” Er hat aber darauf hingewiesen, dass sein Ministerium noch keinen konkreten Plan hat, dem etwas entgegenzuseten.

Entzug der Staatsangehörigkeit eines Einheimischen: Die israelische Innenministerin Ayelet Shaked entzog einem palästinensischen Bürger die israelische Staatsbürgerschaft. Der entlassene Gefangene Ashraf Hassan (41) habe sich der Hamas angeschlossen & arbeite weiter mit ihr. Hassan hat fast 10 Jahre in israelischer Haft verbracht & wohnt seit einigen Jahren in der Türkei. Die Entziehung der israelischen Staatsangehörigkeit ist eine Strafe, die nur die Palästinenser:innen treffen kann.

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